Die heute gespielten Stücke von Martin Münch sind alle in den vergangenen 12 Jahren entstanden, repräsentieren also den im weiteren Sinne aktuellen Stil des in Frankfurt geborenen, lange in Heidelberg und seit sechs Jahren in Südamerika lebenden Komponisten. Während Münch 14-jährig seine frühen Werke im Stil des französischen Impressionismus begann und später Einflüsse vor allem von Alexander Skrjabin aufnahm, öffnete er sich während seines Studiums bei Wolfgang Rihm auch aktuelleren Kompositionstechniken. Seit seinem Saxophonquintett op. 21 kann man seinen Kompositionsstil als überwiegend modal geprägt bezeichnen, d.h. er bedient sich aus einem Tonreservoir, das in der Regel aus anderen Skalen als der Dur- oder Molltonleiter gebildet ist. Dabei hat sich der Stil zunächst immer weiter ins Virtuose hinein verdichtet, bis hin zur virtuosen Feuerwerk-Ouvertüre op. 46, den expressiven Valses sentimentales op. 48 oder der kantigen Suite antique op. 49. Aus dieser sechsstelligen Suite, die auf verschiedenartigste historische Tänze Bezug nimmt, hören wir heute zwei sehr gegensätzliche Stücke, in denen die jeweiligen Formen klar durchscheinen und dennoch in bestimmte Extreme hinein ausgereizt werden.
Sonntag, 28. August 2022
Zu den in Bad Rappenau gespielten Werken von Martin Münch
Seit 2010 hat sich der Stil von Martin Münch gewandelt und es finden sich im Werkverzeichnis vermehrt meditative und später auch formal reduzierte Stücke. Ein prägnantes Beispiel, in dem das Thema Meditation mit einer Form zusammengebracht wird, wo sie eigentlich überhaupt nicht hingehört, dem Tango, sind die drei „Tangos meditativos“ op. 59b, entstanden 2020 in Heidelberg aufgrund von am Rio de la Plata schon vorher formulierten Skizzen. Sie sind eindringliche Tango-Adaptionen, die den Rhythmus fast ständig durchscheinen lassen, dabei aber eine mal melancholische, mal surreale Stimmung aufbauen, die die beiden Themen Tango und Meditation auf fast unwirklich wirkende Art und Weise neu beleuchten.
Zwei teilweise ähnliche, teils gegensätzliche Zyklen sind die Bagatellen op. 60a aus dem vergangenen Jahr und die Cembalosuite op. 60 aus diesem Jahr. Die Ähnlichkeit besteht in einem radikal reduzierten Stil, der von der Textur her auch an den 1997 entstandenen Kinderliedern des Autors anknüpft. In allen Parametern, der Melodik, Harmonik, Rhythmik und Form strebt Münch in beiden Zyklen nach maximaler Besinnung auf das Wesentliche. Und dennoch gibt es Unterschiede: Während in den Bagatellen Einflüsse auch der rumänischen Volksmusik und von den Kinderstücken Bela Bartoks spürbar sind, sind es in der zwanzigteiligen Cembalosuite eher ältere Formen wie Fauxbourdon, barocke Invention oder Hirtenlied, die den einzelnen Teilen Modell stehen. In den Bagatellen sind die Stücke mit jeweils eineinhalb bis zwei Minuten schon recht kurz, in der Cembalosuite sind sie mit zumeist einer Minute Dauer nochmals radikal kürzer. In den Bagatellen wird auf symbolische Weise vor allem im emblematischen Schluß die Zeit der bedrückenden Corona-Repressionen verarbeitet, während in der Cembalosuite von Ferne der freiheitlichere Geist am Rio de la Plata durchscheint. Gesangliche Melodien paaren sich mit meist modalen, mitunter gar tonalen und verständlichen Harmonien zu einem musikalischen Gesamtbild, das darum ringt, den fragenden Wunsch nach Kommunikation mit Ausdruck in einer sprachlos machenden Zeit zu verbinden.
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